Dieser Tag heute war wieder einmal ganz besonders. Die Kulturherberge, von einem Wochenendmusikfestival noch leicht verwüstet, mit einem leeren „Pilger Kiosk“ trieb uns dann früh aus dem Haus. Und das war letztlich auch sehr gut so.
Der Weg entlang eines Höhenzugs, der Rennsteig, ein jahrhundertealter Verbindungsweg von Hildesheim nach Süden, ist in dieser Jahreszeit wunderschön; nach kurzer Zeit waren wir nur noch in der Sonne unterwegs, und während es morgens noch sehr kalt war, mussten wir auf dem bergigen Weg dann Stück für Stück Kleidung ablegen.

Nach einiger Zeit wollten wir zu einer kleinen Besinnung anhalten, und dabei musste ich feststellen, dass mein Anorak, den ich – wie ich dachte – sorgfältig auf dem Pilgerwagen verstaut hatte, weg war. Er musste sich unterwegs auf den letzten Kilometern unbemerkt von dort gelöst haben.
Merlin überredete mich, mit dem ganzen Gepäck dazubleiben, und er, ein wirklicher Profiwanderer, ist den Weg zurückgegangen, um nach dem verlorenen Teil zu suchen. Er hat ihn tatsächlich gefunden, und das hat über eine Stunde gedauert.

In dieser Stunde erlebte ich einen extremen inneren Prozess. Ich habe die Zeit für eine Art Gehmeditation genutzt, die in mir viele Aspekte bewegte, die mit meinem persönlichen Pilgerthema zu tun haben. Ich möchte hier nur andeuten, dass das mit Fürsorge für mich und andere und der dazugehörigen Achtsamkeit zu tun hat. Und diese Unachtsamkeit hier hat einen ganz deutlichen Bezug zu der Unachtsamkeit vor einigen Tagen, in der ich mich selbst verletzte. Es ist ein typisches Pilgererlebnis, wie ich das von meinem Weg vor 3 Jahren her kenne: Ich fühle mich in jeder Zelle meines Körpers angefasst und von starken Emotionen überwältigt. Ohne sofort intellektuell zu verstehen, ist doch klar, dass das Erleben eine äußerst wichtige Bedeutung hat. Ich bin sehr froh, mit meinem Freund länger darüber sprechen zu können, weiter durch die sonnige wunderschöne Landschaft zu wandern, um dann in dem Flecken Lamspringe anzukommen, wo Merlin den Bus zurück nach Hildesheim nimmt.

Kein Cafe und kein Restaurant hat an diesem Montag geöffnet. So begnüge ich mich mit meinen Notvorräten und spüre noch lange im Klosterpark meiner bleibenden inneren Aufregung nach. Diesen Text schreibe ich am späten Abend im Zimmer meiner Pension.

Weg und Bilder in Komoot: 24. Pilgertag, von Wernerhöhe nach Lamspringe