Das sind nun die letzten Tage, die ich noch einmal allein unterwegs bin. Am Dienstag führt mich der Weg von Lamspringe nach Bad Gandersheim, den ich vor 3 Jahren schon einmal gegangen bin. Und ich bin ihn genau so gegangen, wie ich ihn heute gehen will, nämlich entlang des Skulpturenpfades. Dort hatte ich, das war damals an meinem dritten Tag, mein erstes „Durchbruchs“-Erleben beim Pilgern. Ich nenne das so, weil es sich anfühlt, wie wenn eine höhere Macht durch unsere empfundene Abgegrenztheit hindurchgreift.

Ich möchte diese Geschichte hier kurz erzählen, weil sich derartige Erlebnisse beim Pilgern öfter und leichter einstellen als in unserem Alltagsleben. Als ich damals den besagten Skulpturenweg entlang pilgerte, in meinen Gedanken versunken, hatte ich urplötzlich eine besondere körperlich-emotionale Wahrnehmung, die zunächst ganz unerklärlich war. Ich hielt inne, und fühlte mich zurückgezogen zu einer Holzstatue, die als eine der ausgestellten Skulpturen am Wegesrand positioniert war und an der ich achtlos vorbeigegangen war. Beim ersten Betrachten konnte ich an dieser Statue nichts Besonderes finden, außer dass ich das Gefühl hatte, mich mit ihr in einem speziellen Energiefeld zu befinden. Und dann entdeckte ich die Plakette am Boden, die Namen und Künstler der Skulptur benennt: Es handelte sich um eine Darstellung des heiligen Jakobus, dem Schutzpatron der Pilger auf dem Jakobsweg. Dieses Erlebnis hat mich lange beschäftigt.

Und so war ich am Dienstag besonders neugierig darauf, wie ich diese Skulptur denn 3 Jahre später, wieder auf dem Pilgerweg, erleben würde. Ich habe beim Vorbeiwandern dann fast jedes Kunstwerk fotografiert und wunderte mich sehr, als ich, fast am Ende des Weges, am heiligen Jakobus immer noch nicht vorbeigekommen war.

Mein Freund Theo, in dessen Zentrum ich am Abend die Veranstaltung machen würde, und bei dem ich übernachten konnte, kam mir auf dem Weg entgegen, und konnte sich auch nicht erklären, wieso dieser heilige Jakobus auf dem Weg nicht zu finden gewesen war. Im Internet recherchierten wir dann, wo wahrscheinlich diese Statue stehen sollte. Theo fuhr mich mit dem Auto den halben Weg nach Lamspringe zurück und wir machten uns an geeigneter Stelle auf die Suche. Unglaublich, aber wahr: der Heilige Jakobus stand da, wo wir ihn vermuteten, und ich war an ihm vorbeigelaufen ohne ihn zu bemerken – ein kleines Kunststück: die Statue ist 3 Meter hoch.

Und so hatte ich ein weiteres Mal über das Thema Wahrnehmung und Achtsamkeit nachzuspüren. Jenseits aller persönlichen Bezogenheit in diesem Thema war es für mich aber auch interessant zu sehen, wie sehr Resonanz- Phänomene solche der augenblicklichen Verfasstheit sind.

Die Veranstaltung am Abend im Zentrum für Salutogenese war klein, intim und schön. Anke und Anna waren extra aus Gerode angereist – was mich sehr gefreut hat – um den Ablauf der letzten Tage zu besprechen. Vorher kam noch ein Journalist der Northeimer Zeitung vorbei, um mich zu interviewen. Er versprach, mir den Text zuzuschicken und auf die Veranstaltung am Freitag in Göttingen hinzuweisen. Den Abend beschloss ich im intensiven Gespräch mit Theo ganz oben unter dem Dach seines Hauses, in Sichtweite des Gandersheimer Doms.

Weg und Bilder in Komoot: 25. Pilgertag, von Lamspringe nach Bad Gandersheim

 Am Mittwoch brach ich früh auf, weil der Weg nach Einbeck zwar nicht sehr weit, aber mit einigen sehr steilen Strecken zu erwarten war. Wieder schien die meiste Zeit die Sonne, der Weg durch viele gelbe Rapsfelder an den Höhenzügen zwischen Gandersheim und Einbeck entlang war sehr schön, und das wirklich steile Stück oberhalb von Einbeck fiel mir überraschend leicht, es ging einfach sehr, sehr langsam voran.

Die Pension in Einbeck war noch einmal ein Geschenk, und die alte Fachwerkstadt Einbeck mit dem kleinen Inder mittendrin ebenfalls.

Weg und Bilder in Komoot: 26. Pilgertag, von Bad Gandersheim nach Einbeck

Der Weg heute am Donnerstag war etrem unterschiedlich – von wunderschöner Auenlandschaft bis hin zu Betongräusligkeiten an der ICE-Trasse.

Nun sitze ich ganz oben über der Stadt Northeim, und ruhe mich von dem doch recht steilen Anstieg zu Ute noch etwas aus. Sie wohnt direkt neben dem Jakobsweg, der oberhalb ihres Grundstücks entlangführt, und hat mich zur Übernachtung eingeladen. Ich freue mich darauf, obwohl die 3 Tage jetzt allein unterwegs auch noch einmal gut waren.

Weg und Bilder in Komoot: 27 . Pilgertag, von Einbeck nach Northeim