unterwegs für eine Vision

Kategorie: Resümee

Resümee des Pilgerwegs

Der Kirchenraum im Kloster Gerode war nicht nur räumliches, sondern auch ideelles Ziel der Reise: In dieser überkonfessionellen Kirche des „Klosters des 3. Jahrtausends“ sollen im Jahr 2024 die Feiern zum 900-jährigen Bestehen der Klosteranlage und zum 30-jährigen Wirken des WEG DER MITTE dort stattfinden, dies vermutlich noch „open air“. Für die endgültige Sicherung und den weiteren Ausbau, in dem dann das Friedenszentrum auch ein Dach erhalten soll, sind die Gelder bestimmt, die das Pilgerprojekt einsammelte (und weiter einwirbt.)

Hier folgt – im Abstand mehrerer Wochen – eine Zusammenfassung besonders für diejenigen, die das Projekt auf so vielfältige Weise unterstützt und begleitet haben.

Zunächst ein Blick auf den äußeren Weg. Er führte durch extrem unterschiedlich erlebte Landschaften. In manchen fühlte ich mich teils sehr fremd und verloren, andere waren in dieser schönen Frühlingszeit ein Genuss für das Auge und Nahrung für die Seele.

Es gab Wege durch endlos erscheinende verwahrloste und ausgebeutete Natur, kilometerlang auch durch verwüsteten Monokultur-Wald oder entlang der toten Wässer von Kanälen. Landschaften, die durch das völlige Fehlen von Rastplätzen oder einer Bank schon anzeigen, dass hier niemand wandernd oder spazierend unterwegs sein möchte.

Und es gab die einladenden Wege entlang von lebendigen Flüssen, durch hellgrün leuchtenden Mischwald und bestellte Felder, die die Achtung der Natur spüren ließen, gewundene Wege und manchmal für den Pilgerwagen auch anspruchsvolle Pfade durch die heimelige Hügellandschaft am Elm und im Vorharz.

Als gebürtiger Bayer liegt mir letzteres natürlich näher und trotzdem macht nicht die Form den Unterschied, sondern der im Durchwandern erfahrbare Umgang der Menschen mit dem, was wir an Natur (noch) haben.

Auf einem Pilgerweg sind wir immer wieder angewiesen auf gute Plätze des Innehaltens, an denen die Verbindung mit dem inneren Pilgerziel unterstützt wird. Dies kann in der Natur sein oder in dafür geeigneten meditativen Räumen. Von meiner ersten Pilgerreise her war ich gewohnt, die Kirchen auf dem Weg dafür zu nutzen und fand damals die allermeisten auch offen. Diesmal war auch das sehr anders. Einige der besonderen „Durchbruchs“-Erfahrungen waren dann auch in den wenigen offen vorgefundenen Besinnungsräumen (Kloster Lehnin und Neuendorf, Kirche in Burgdorf), oft stand ich vor verschlossenen Kirchentüren, die damit eine ähnliche Abweisung erzeugten wie der Weg durch manche Gegend.

Zu dieser teils schwierigen äußeren Erfahrungswelt gibt es ein deutliches Gegengewicht auf der sozialen Ebene der erlebten Beziehungen. Das ist die freundliche Aufnahme durch so viele unterstützende Menschen aus meinem Freundeskreis und ebenso von mir persönlich ganz unbekannten Menschen, die dem WEG DER MITTE nahestehen und das Projekt durch ihre Gastfreundschaft oder andere Beiträge unterstützten.

Die deutlich positivste Erfahrung auf dem Weg war: Immer wieder ein bedingungsloses Angenommen-Sein zu erleben, ganz selbstverständlich im Lebens- und Familienfeld aufgenommen zu sein und so viel (auch logistische) Unterstützung zu bekommen.

Zu diesem positiven Beziehungsfeld gehören auch die vielen Menschen, die Teile des Wegs mit mir geteilt haben. Neben Freunden waren das auch wieder mir zu Beginn ganz unbekannte Mitpilgernde: es war spannend und schön, sich dann auf dem Weg sprechend – und schweigend – kennen zu lernen.

Durch Hilfsbereitschaft und Kreativität war auch die Vorbereitung des Projekts gekennzeichnet, durch die gesamte Fundraisinggruppe und die Menschen des WEG DER MITTE in Berlin, Göttingen und Gerode – vorher, unterwegs und auch noch danach. Zu dem Dank an all diese Menschen gehört – und selten passt „last but not least“ so gut wie hier – der ganz besondere Dank an Petra, die so viel Energie und Zeit für das Projekt eingesetzt hat, dass es gar nicht anders beschreibbar ist als: unermüdlich und grenzenlos.

Meine eigenen Grenzen allerdings habe ich in diesem Pilgern immer wieder kennen gelernt und musste ein gutes Umgehen dafür finden. Die Vorbereitungen, besonders die aufwendigen und nicht immer erfolg- oder hilfreichen Pressekontakte, haben trotz aller Hilfe mehr Einsatz verlangt, als ich mir das vorgestellt hatte. Die Grenzen waren weniger in der körperlichen Leistungsfähigkeit spürbar als in der Notwendigkeit, einen bestimmten Energielevel zu halten, der ja nicht nur (so wie ich das kannte) meinen eigenen Weg und dessen Verarbeitung zu gewährleisten hatte, sondern auch noch an vielen Abenden für die Veranstaltungen und das „drum rum“ reichen musste. Und da war es dann auch gut, immer wieder mal einen oder mehrere Tage alleine unterwegs zu sein, wo ich die Verantwortung nur für mich selbst hatte.

Unterstützend aber war immer das Bewusstsein, eingebettet zu sein in einer Gemeinschaft – auch da, wo ich alleine unterwegs war.

Gerne würde ich hier auch schon den finanziellen Ertrag vermelden. Dies wird auf alle Fälle hier noch erfolgen. Aber da verständlicherweise noch nicht alle (v.a. die km-Spenden) eingegangen sind und verbucht werden konnten, ist das Ergebnis nur vorläufig. Sicher kann gesagt werden, dass die finanzielle Unterstützung über Spenden deutlich mehr als 13000 EUR beträgt. Und das ist auf alle Fälle ein sehr schönes Ergebnis, für das ich gerne auch hier schon den Dank an die Gebenden ausspreche.

Ein Kuriosum bleibt anzufügen. Gerade mit der Spendenform, auf die ich selbst besonders gesetzt hatte, nämlich auf das Angebot „Coaching auf dem Pilgerweg“ ist das Ergebnis gleich Null. Ich mag auch das nicht abschließend bewerten. Die Richtung in die ich denke ist:

Ich hatte auf die zahlungsfähige Klientel in meinem jetzigen und früheren beruflichen Umfeld gesetzt, hatte den Weg über meine Wirkungsfelder in Wolfsburg und Hannover geführt, das intensiv kommuniziert und beworben und ermutigende erste Rückmeldungen erhalten. Aber vielleicht ist diese Form der Beziehung nicht hinreichend für das, was wir da bewegen wollen?

Mit meinem ganz persönlichen Resümee der inneren Verarbeitung und Erkenntnis bin ich noch nicht fertig. Was schon angesprochen und klar erscheint:

Das äußere, immer wieder auch schwierige Feld darf nicht bestimmen über die innere Orientierung; es muss klar gesehen, zur Kenntnis genommen und bewegt werden, denn es ist immer ein Spiegel für den inneren Weg. Die ermutigenden Erlebnisse von Offenheit und des Angenommen-Seins auf der Beziehungs-Ebene sind auf dieser Pilgerreise zentral. Und auch die geistige Dimension, etwas zu schaffen, was an die Grenzen der Energie geht.

Danke an euch alle, die ihr das lest und teilt.

Resümee: 11. bis 16. Pilgertag

Es ist Sonntagabend und ich sitze in einem kleinen Zimmer, in einer typischen Monteurunterkunft. Die letzten Tage waren so voll, meist auch an den Abenden, dass ich erst heute wirklich Zeit finde, den Weg und was mir darüber hinaus noch wichtig erscheint zu beschreiben. Petra hat die treuen Blog-Leser ja schon darüber informiert, dass es mir manchmal einfach nicht möglich ist, mich am Abend noch aufs Schreiben zu konzentrieren.
Heute bin ich früh dran. Der Weg war nicht besonders weit. Ich bin wieder allein unterwegs und es gibt auch nichts vorzubereiten.

In den letzten Tage war das ja meist anders:

Mit dem Weg von Gardelegen nach Kusey habe ich eine lange Phase des allein unterwegs Seins abgeschlossen. Die Tage seit Mittwoch bis gestern waren gefüllt von Begegnungen und dem Zusammensein mit vielen vertrauten Menschen und dem Eintauchen in ihre familiären Situationen.

Ich habe mich darin sehr angenommen und ausnahmslos wohl gefühlt. Ich war eigentlich immer Teil einer Familie und die Hilfsbereitschaft war enorm. So ging es zum Beispiel immer mal wieder darum, mich und andere Mitpilgernde irgendwo hinzubringen oder abzuholen, um den Weg anzupassen, das Gepäck zu transportieren oder um Material zu den Veranstaltungen zu bringen. Es fühlte sich fast so an, als ob ein ganzer Fuhrpark nötig wäre, um das Pilgerprojekt zu unterstützen: Bis Wolfsburg Petra und ihre Tochter Anna als Chauffeurinnen, in Wolfsburg dann Colins Eltern, die uns und Colins kranke Tochter entsprechend von da nach dort transportierten, so dass alles wie am Schnürchen laufen konnte.

Die Hilfsbereitschaft und das bedingungslose Angenommensein erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Dies war eine wunderbare Grundlage für die Veranstaltungen, die vor mir lagen.

In Wolfsburg war in den 2 großen Zeitungen jeweils ein ausführlicher Artikel zu dem gesamten Pilgervorhaben und zu der Veranstaltung in der Heilig-Geist Kirche – einem spektakulärer, moderner Kirchenbau des finnischen Architekten Alvar Aalto – erschienen. Und so waren wir alle, Petra, Colin und sein Vater, der ebenfalls mitkam, entsprechend neugierig, wieviele Menschen denn wohl kommen würden.

Wir waren dann zusammen 15 Personen im Gemeinderaum. Eine gute Anzahl, um miteinander wirklich ins Gespräch zu kommen. Im ersten Teil erläuterte ich den Sinn und Zweck der Pilgerreise, im zweiten Teil sprach ich darüber, dass wir mit dem Frieden in uns selbst beginnen sollten, und nach einer Pause endete der Abend mit einer Meditation zu diesem inneren Frieden.

Ein wenig enttäuscht war ich schon, dass sich trotz der enormen journalistischen Vorarbeit nicht mehr Menschen eingefunden hatten. Gleichwohl fühlte sich der gesamte Abend rund und stimmig an.

Überraschenderweise war das gestern, 2 Tage später, in Braunschweig genauso: Auch die kleine Kapelle, die man mir dort in der Riddagshauser Klosteranlage zur Verfügung gestellt hatte, war ein wunderschöner kleiner Raum. Ob die Veranstaltung in der Zeitung überhaupt angekündigt worden war, dazu wusste ich nichts, denn es gab keine Rückmeldung an mich.

Nun: ich bin nicht allein geblieben. Es kam eine nette ältere Dame, mit einem Zeitungsausschnitt in der Hand, der die Veranstaltung vor über 2 Wochen in 3 Sätzen angekündigt hatte. Wir kamen gut miteinander ins Gespräch und haben die Zeit mit einer kleinen Besinnung zum Friedensthema beendet. Die besagte Überraschung war tatsächlich, dass ich keinerlei Enttäuschung in mir spürte. Es war wie es war und es war gut so.

Angekommen.

Ein erstes Resümee: bis zum Beginn der Osterzeit

Nun bin ich 10 Tage unterwegs, es ist ein Drittel der Zeit um. Ich finde, dass sich das Thema unter dem ich unterwegs bin, in meinem Erleben spiegelt: Nicht nur äußerlich, so wie ich heute ungeplant an dem KZ-Mahnmal vorbei pilgerte oder das Schild an der Kirche bemerkte zum Thema  „Frieden predigen“ oder eine Landschaft erlebe, in der der Unfrieden des Menschen mit der Natur sichtbar wird. Dieser Schmerz ist mir tagelang deutlich spürbar.

Auch in mir bin ich weniger im Frieden, als ich mir das erhofft und mit den Erfahrungen des letzten Pilgerns erwartet hatte. Das hängt auch mit dem großen inneren Thema zusammen, mit dem ich unterwegs bin. Dies erlebe ich natürlich besonders in den Zeiten, in denen ich allein unterwegs bin. Und wie gut und schön ist die Abwechslung, wenn ich Mit-Pilgernde habe und dadurch auch eine Auszeit in meinen eigenen Gedankenkreisen.

Der Start insgesamt war wunderbar. Der Aufbruch mit so vielen Menschen aus Berlin, das unerwartet schöne Wetter, die liebliche Landschaft aus Berlin heraus um Potsdam und bis Kloster Lehnin. Und ich war wunderbar begleitet. Der innere Prozess änderte sich mit der Landschaft, ab Lehnin habe ich die Landschaft verwüstet und menschenfeindlich erlebt. Am schlimmsten war der Regentag den Kanal entlang nach Genthin. Obwohl die Landschaft sich nur mäßig veränderte, hat mich die Begleitung durch Diana und Torsten über die nächsten zwei Tage dann wieder gut getragen. Es war wie ein Weg in die Osternacht hinein, in der heute eine Ahnung des neuen Lichts zu spüren ist – und neue Zuversicht.

 Mein Pilgern soll ja den Ausbau des Kirchenraums in Gerode befördern, da finde ich es ein besonders interessantes Thema, wie sehr es mich erreicht, ob ein Kirchenraum mich einlässt, willkommen heißt oder ausschließt.

Es gab zwei besondere Glücksmomente, die mit der Offenheit dieser Räume zusammenhängen: in Kloster Lehnin, wo mir der Schlüssel für die verschlossene Kirche gegeben wurde und heute Kloster Neuenberg, wo – gegen jede Wahrscheinlichkeit – die einsame Kirche offen stand. Was das im Einzelnen zu bedeuten hat, ist mir noch nicht verständlich. Ich weiß aber mit Sicherheit, dass es eine sehr starke Bedeutung hat, die weniger mit der Kirche als Raum zu tun hat, als mit dem Erleben eines Friedensraumes in mir und der dazugehörigen Öffnung nach oben.


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