unterwegs für eine Vision

Monat: April 2022 (Seite 4 von 5)

6. Pilgertag: Gründonnerstag von Bensdorf nach Genthin

Es ist Regen angesagt für heute – wie viel, kann man schwer abschätzen. Deshalb teste ich, bevor ich los pilgere, meine Regenklamotten in einem Marsch zum nächsten Supermarkt, der fast eine halbe Stunde von meiner Pension entfernt liegt. Irgendwann in der Nacht muss die Heizung wohl doch noch angesprungen sein, sodaß mein frisch gewaschenes Hemd tatsächlich noch trocken geworden ist. Alle Vorzeichen stehen auf grün, als ich mich endlich auf den Weg mache. Es geht quer durch eine landwirtschaftliche Gegend, die allerdings durch die vielen Spargelabdeckplanen und Plastikgewächshäuser verunstaltet ist.

Trotzdem fühlt sich dieser Weg wesentlich angenehmer an als in den Tagen zuvor, wo ich so oft neben Bundesstraßen herlaufen musste. Und irgendwann bin ich dann doch wirklich in der Natur, allerdings nicht sehr lange. Denn dann erreiche ich den Elbe-Havel-Kanal. Während ich eine der wenigen Brücken nutzen kann, beginnt es wirklich zu regnen, zuerst recht sacht, mehr ein Nieseln, sodaß ich mich schon Frage, ob es wirklich sinnvoll war, die wasserdichte Regenüberhose an zu behalten.

Diese Frage klärt sich schnell: der Regen wird immer heftiger und er begleitet mich die ganzen 12 – 14 km an dem Kanal entlang. Die Hose hält dicht, was man von meinem Anorak nicht behaupten kann. Als ich in Genthin ankomme, bin ich doch einigermaßen nass geworden. In dieser verlassen wirkenden Stadt finde ich wenigstens zunächst ein Cafe und dann mein Hotel, indem ich mich nach dieser nassen Strapaze gut aufgehoben fühle.

Dort beginne ich, mich um den morgigen Tag zu kümmern, ab dem mich Diana und Thorsten über Ostern einige Tage begleiten werden. Darauf freue ich mich jetzt richtig: So sehr ich ein paar Tage gebraucht hatte, um allein unterwegs tiefer in mir anzukommen, so sehr fühle mich jetzt wieder offen für Begegnung. Die letzten Tage waren nicht wegen des Alleinseins anstrengend, sondern wegen der widrigen Strecken und des Wetters.

Und noch ein anderer Lichtblick scheint am Ende dieses Tages auf: Ich erfahre per SMS von der Pastorin, die ich angerufen hatte, daß morgen genau zu unserer Treffens-Zeit die St. Trinitatis-Kirche tatsächlich offen sein wird. So können wir unseren Oster- Pilgerweg dort beginnen. Damit hatte ich schon gar nicht mehr gerechnet, denn es ist seit Kloster Lehnin die erste offene Kirche, die mir begegnet.

Aber da Not bekanntermaßen erfinderisch macht, wird dann – wenn die Räume in den Kirchen verschlossen bleiben und die Plätze in der Natur verschandelt sind – das Gehen selbst noch mehr zur Gehmeditation.

Ich freue mich auf die Ostertage!

Weg und Bilder in Komoot: 6. Pilgertag

5. Pilgertag: von Brandenburg nach Bensdorf

Nun liege ich also im Bett, eingemummelt in zwei Decken, am Ende eines Tages der Widrigkeiten.

In Brandenburg hätte ich den Tag gerne mit einer Meditation im Dom begonnen.
Der war allerdings noch geschlossen, und ich mußte zurück ins Hotel, um mein Zimmer zu räumen. Zweimal wäre mir das zu weit gewesen.

Der Weg aus Brandenburg heraus führt Kilometer lang über Industriegelände, leerstehende Unigebäude, Bahngleise, Neubauviertel und wieder endlose Industrieanlagen. Ein wenig war ich schon darauf vorbereitet, daß es heute kein Spaziergang durch die schönste Natur sein würde. Aber mit Ausnahme der letzten 4 km war ich andauernd neben Bundesstraßen unterwegs.

Kleine Glücksmomente waren ein Supermarkt mit einem Bäckerei Shop, in dem ich etwas zu trinken bekam und dann abseits ein paar Baumstämme, auf denen man sich ausruhen konnte.
Ansonsten fast 20 km ohne auch nur eine Bank oder etwas ähnliches unterwegs zu finden.

Die Pension hier in Bensdorf liegt etwas abseits. Deshalb hatte ich vor, zum Abendessen in das Nachbar Dörfchen zu gehen. Dort waren mehrere Restaurants verzeichnet. Alles Fehlanzeige: in dieser Woche vor Ostern hatte keines geöffnet. Der Wirt hier war dann so nett, ausnahmsweise für mich zwei Würstchen warm zu machen. Was anderes gab es nicht.

Nun also ein karges Mahl für heute und zu guter Letzt scheint noch die Einstellung der Heizung falsch zu sein: es wird nicht warm im Zimmer, und mein frisch gewaschenes Wanderhemd, hängt nun nass im Badezimmer. Es sollte über Nacht an der Heizung trocknen, die nun einfach nicht anspringt. Und deswegen liege ich mit den zwei Decken im Bett. Morgen wird es regnen. Und in alledem bin ich in erster Linie: neugierig.

Weg und Bilder in Komoot: 5. Pilgertag

4. Pilgertag: von Kloster Lehnin nach Brandenburg

Ich bin ausgeschlafen. Das Wetter ist wieder sehr schön und morgens kalt. Zum Frühstück muss ich in das Städtchen laufen und gehe bei der Gelegenheit noch einmal im Kloster und der Klosterkirche vorbei, ich möchte mir einen Stempel holen für meinen Pilgerausweis. Die Kirche ist abgeschlossen und ich wende mich an den daneben liegenden Beherbergungsbetrieb.

Ein kleines Wunder geschieht: Ich bekomme den Schlüssel für die Kirche und kann dort für einige Zeit ganz alleine sein. Es ist ein erstes kleines Durchbruchs- Erlebnis. Es geschieht eine Ergriffenheit, die ich nicht oft erlebe, die sich Ausdruck verschaffen will im Singen, im Beten, im Weinen. Das ist nur möglich, weil es sich so gefügt hat.

Dann geht es los den Weg noch einmal zurück und dann weiter am See entlang, durch die zunächst noch gewohnte und schöne Landschaft mit dem lichten Fichtenwald. Nach einer Weile muss ich die A2 queren und es wird unangenehm laut, für eine sehr lange Zeit. Die Landschaft ändert sich. Zum ersten Mal ist sie so, wie ich es mir schon öfter vorgestellt hatte: Endlose landwirtschaftliche Flächen, die teils brachliegen und vollkommen überdüngt scheinen. Jedenfalls riecht es so. Viele Kilometer wandere ich so durch diese für meine bayerische Seele etwas trostlos anmutende Landschaft. Das ist weit mehr als die Hälfte des Weges, die ich so zurück lege. Ein kleines Wäldchen zwischendurch gibt die Möglichkeit für eine Rast. Auf dem trockenen Boden kann ich mich in die Sonne legen, eine Bank habe ich die ganzen 20 km nicht gefunden.

Das viel gerühmte Brandenburg an der Havel empfängt mich auch nicht gerade mit Schönheit. Erst in der Innenstadt beginne ich mich etwas wohler zu fühlen, und die kleine Pension, die ich reserviert hatte, bietet einen angenehmen Empfang. Die Füße tun mir weh nach dieser längsten Strecke, die ich bisher gelaufen bin. Gott sei Dank sind die nächsten Tage wohl nicht so anspruchsvoll und hoffentlich auch landschaftlich schöner. Aber ich bin immer noch erfüllt von meinem Beginn des Tages in der Lehniner Klosterkirche. Dort hatte ich wirklich Zeit und Konzentration, mich mit all den Menschen zu verbinden, die mich auf dem Weg begleiten. Es sind immer mehr geworden in den letzten Tagen. Also ist am Ende des Tages vor allem eines: Dankbarkeit

Weg und Bilder in Komoot: 4. Pilgertag

3. Pilgertag: von Fichtenwalde nach Kloster Lehnin

Ein wunderschöner Morgen, kalt und klar. Nach einem Frühstück, wie ich es wohl die nächsten Tage nicht mehr bekommen werde, bringt Gerlind ein großes Glas mit Spendengeldern zum Tisch. Sie hat das bisher noch nicht selbst gezählt. Wir tun das zusammen: Es sind 366 €, eine schöne Zahl und ein wirklich sehr stattlicher Betrag dafür, daß sie an einem Tag ihren Yogaunterricht unter das Spendenthema gestellt hat und das bei ihren Teilnehmern einsammeln konnte!

Danach war ein Telefonat mit den Wolfsburger Zeitungen angesagt, die am Gründonnerstag unter dem Friedensthema auch über meine Pilgerreise und das Fundraising berichten wollen.

Dann wandern wir los. Gerlind kommt mit und auch ihr quicklebendiger Hund Cooper. Der Weg wieder durch lichten Fichtenwald ist sonnig und schön. Wir kommen gut voran.

Bei der Ankunft im Ort Kloster Lehnin bin ich total überrascht. Dorthin wollte ich ja pilgern, weil ich dort ein Kloster erwartet hatte. Im Internet hatte ich dann gar keine Kontaktadresse gefunden, sondern nur einen Artikel, den ich so interpretieren mußte, daß es dieses Kloster gar nicht mehr gibt.
Und wie es dieses Kloster gibt: Es erinnert mich stark an Jerichow, wohin ich in einigen Tagen noch kommen werde. Es ist eine wunderschöne große Anlage mit einer ebenso schönen Kirche.

Dort beenden wir den Weg: Wir sind an diesem Tag wohl mehr gewandert als gepilgert, weil wir uns viel zu erzählen hatten und so die Schweigezeiten eher unbedeutend waren. Das wird an den nächsten Tagen sicher anders werden, denn da werde ich alleine unterwegs sein.
Ich bin dann eben nicht im Kloster untergekommen, das tatsächlich einen Beherbergungsbetrieb gehabt hätte, sondern in einer Kulturherberge. Ein ganz schönes, einfaches und schlichtes Zimmer mit Blick auf den Klostersee.
Am Abend wandere ich noch einmal in das kleine Städtchen, es gibt nicht viel Auswahl für das Essen und es ist gut so.
Im Nachspüren merke ich eine Traurigkeit. Ich bin jetzt wirklich allein und werde das die nächsten Tage auch sein. Die Begleitung der vielen Menschen an den ersten Tagen, die mit mir unterwegs waren, fehlt mir plötzlich.

Weg und Bilder in Komoot: 3. Pilgertag

2. Pilgertag: von Potsdam nach Fichtenwalde

Es ist Sonntag, der zweite Tag unterwegs. Ich habe 10 Stunden geschlafen und fühle mich kraftvoll. Ich sitze allein beim Frühstück und lasse die letzte Zeit Revue passieren: Mir wird bewusst wie viel Energie mich die Vorbereitung gekostet hat. Die Erschöpfung des Vortags ist nicht Ergebnis des Fußwegs, sondern mehr eine der inneren Verantwortlichkeit, die ja dann auch noch einmal in der Veranstaltung und in der Anleitung des Wegs für die Mitpilger gefordert war.
So mache ich mich an diesem zweiten Tag alleine und gleichzeitig frohgemut auf den Weg, der vom Forsthaus Templin nach Fichtenwalde führt, durch eine ähnliche Landschaft wie am Tag zuvor, die aber sehr viel einsamer erlebt wird.

Regen und Hagelschauer, die nicht sehr lange dauern, überstehe ich zweimal beim Pause machen im Cafe und ein drittes Mal erwischt es mich eben unterwegs. Es ist kein Problem. Es gehört dazu. Punkt. Beim Weitergehen trocknet die Kleidung wieder.

Der Empfang in Fichtenwalde bei Gerlind, die mich eingeladen hatte, ist unkompliziert und herzlich. Schon der Weg in diesen Ort hinein ist so auffällig freundlich, überall blühen Magnolien, Forsythien, Zierkirschbäumchen in allen Farben.

Ich komme zu meinem lange eingeübten AnkunftsRitual: unter die Dusche und dann eine halbe Stunde aufs Bett legen. Wir verbringen den Abend mit Gespräch, Gesang und Meditation in Gerlinds Yoga-Studio in ihrem Haus. Hier hat sie auch in Benefiz Yogastunden Spenden gesammelt. Der beachtliche Erlös kommt dem „Pilgern für den Frieden“ zu Gute.

Die heutige Strecke in Komoot: 2. Pilgertag

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